25. Witzenhäuser Konferenz vom 5.-9.12.2017
„Die ganze Palette – Biologische Vielfalt als Stärke der ökologischen Landwirtschaft“
von Anne Dirsch und Marie-Theres Machner
Die 25. Witzenhäuser Konferenz am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel in Witzenhausen beschäftigte sich in diesem Jahr mit der Thematik Biodiversität in der ökologischen Landwirtschaft. Unter dem Motto: „Die ganze Palette – Biologische Vielfalt als Stärke der ökologischen Landwirtschaft“ hatten acht Studierende in monatelanger Vorbereitung ein bemerkenswertes Programm mit hochkarätigen ReferentInnen aufgestellt, das über 180 Studierende, LandwirtInnen, WissenschaftlerInnen und Interessierte anlockte.
In unserer Gesellschaft führt die Thematik etwa verglichen mit dem Klimawandel immer noch ein Nischendasein, obwohl die Wissenschaft die Brisanz deutlich erkennt: Der weltweite Rückgang biologischer Vielfalt gilt als stärkste Bedrohung für Gleichgewicht und Stabilität der Ökosysteme. Viele landwirtschaftliche Praktiken tragen nachweislich zu Artenrückgang und Diversitätsverlust bei. Der ökologischen Landwirtschaft ist es aber ein Anliegen, die Vielfalt mit angepassten Wirtschaftsweisen zu fördern. Wie steht es um dieses Ziel? Warum braucht die Landwirtschaft Biodiversität? Was sind ihre konkreten Vorteile und wie können diese genutzt werden?
Organisiert von acht Witzenhäuser Studierenden – die Witzenhäuser Konferenz
Diesen Fragen ging die Konferenz nach und behandelte dabei drei große Themenschwerpunkte. So wurde am Mittwoch die Notwendigkeit des Bewahrens von Boden und Natur behandelt und vertieft; der Donnerstag diente dem Verständnis des Nutzens von Vielfalt im Hinblick auf Rassen und Sorten, Erhaltung und Zucht; der Freitag widmete sich möglichen Vermarktungsstrategien biologischer Vielfalt.
Prof. Dr. Peter Feindt, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, machte in seinem Eröffnungsvortrag deutlich, dass der weltweite dramatische Artenverlust die gravierendste menschengemachte Naturveränderung neben dem Klimawandel und der Wasserverschmutzung ist. Gleichzeitig machte er auf das fehlende Bewusstsein für diesen Artenschwund in Politik und Gesellschaft aufmerksam.
Der Mittwoch begann mit einem Exkurs in die Naturphilosophie durch Prof. Dr. Harald Schwaetzer. Er ist Professor für Philosophie und Vizepräsident an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues und weltweit einer der führenden Köpfe der Cusanus-Forschung. Prof. Dr. Harald Schwaetzer erklärte das Schwinden des Verantwortungsbewusstseins für die Natur durch die Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt. Heute geht es um die aktive Zuwendung zur Natur und um verantwortliches Handeln
Exemplarisch machte dies im Anschluss dier Bio-Landwirte Josef Braun am Beispiel seines eigenen Betriebes deutlich: Das Konzept zur Förderung der Biodiversität in Ackerbau, Grünland und Tierhaltung wird durch ständiges Beobachten und Anpassen ständig weiter entwickelt.
Nachmittags gab es ein zahlreiches Angebot von Workshops zu „Anbauverfahren und Bodenfruchtbarkeit“, „Naturschutz auf dem eigenen Betrieb umsetzen“, „Naturschutz und Soziale Landwirtschaft“ bis hin zu einen Bildungsworkshop „Boden und Natur für Kinder erlebbar machen“.
Der zweite Konferenztag stand unter dem Motto „Biologische Vielfalt nutzen“. Dabei referierten Dr. Martina Henning und Inga Günther zu den unterschiedlichen Wegen, biologische Vielfalt in der Nutztierhaltung zu erhalten, einerseits durch die Konservierung von Fortpflanzungszellen in Flüssigstickstoff bei −196 °C, andererseits durch aktive ökologische Züchtung am Beispiel eines Zweinutzungshuhns. Da es bislang keine ökologischen Selektionsstandorte gibt, sondern die Zucht unter konventionellen Fütterungsbedingungen und in Käfigen stattfindet und zudem ein weltweites Zuchtmonopol herrscht, hat Inga Günther die gemeinnützige GmbH Ökologische Tierzucht gegründet.
Auf die Notwendigkeit der genetischen Vielfalt der Pflanzen in der ökologischen Pflanzenzüchtung wurde durch Prof. Dr. Gunther Backes und Dr. Bernd Horneburg hingewiesen - hier gibt es Herausforderungen der Finanzierung und Patentierung. Besonders hervorgehoben wurde dabei die Tomatensorte Sunviva, die mit einer Open-Source Saatgut Lizenz vertrieben wird. Ihr Saatgut darf somit weiter vermehrt und zur Züchtung genutzt werden.
Nachmittags konnten Workshops zu den Themen „Erhalt alter Nutztierrassen“, „Sortenverarmung im Erwerbsobstbau“, „Getreidezüchtung im ökologischen Landbau“, „Kindern biologische Vielfalt nahe bringen“ besucht werden, ferner wurde eine Exkursion zum Biohof Düna im Harz sowie ein Kochworkshop mit alten Sorten angeboten.
Am Freitag standen Konzepte und Beispiele im Mittelpunkt, wie sich die Förderung biologischer Vielfalt finanziell rechnen kann. Dr. Christina Bantle zeigte anhand verschiedener Projekte auf, wie Verbraucher füt das Thema sensibilisiert werden können. Ein Beispiel dafür ist eine Initiative zur Pflanzung alter Sorten durch BürgerInnen in Berlin-Marzahn. Wichtig für den Erfolg solcher Projekte sei die Selbstwirksamkeit der Verbraucher, also der eigene Einfluss auf den Erhalt biologischer Vielfalt.
Landwirt Stefan Itter veranschaulichte die Vermarktung von vielfältig und hochwertig erzeugten biologischen Produkten anhand seiner Kooperation mit Bäcker, Metzger und Gastronom. Vertrauensvolle Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Hersteller, Vermarkter und Endverbraucher beschrieb er als wichtige Erflgsfaktoren.
Anhand des Projektes ProSpecieRara beschrieb Ann-Kathrin Söllner, wie alte Gemüsesorten erfolgreich vermarktet und so erhalten werden können.
Die anschließenden Workshops beschäftigten sich mit den Themen „Standards und Labels in der Lebensmittelbranche“, „Verbraucherkommunikation“, „Biodiversitätsförderung durch Vermarktung“ sowie „Comic als Medium für Vermittlung und Aufklärung“.
Am Abend wurde das 25. Jubiläum der Witzenhäuser Konferenz mit einem großen Buffet mit alten und vielfältigen Sorten und Rassen gefeiert.
Den Abschluss am Samstag bildete eine hitzige Podiumdiskussion unter der Frage „Vielfalt fördern – Der Wille ist da, wo ist der Weg?“ mit Dr. Thomas Meier vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, der Geschäftsführerin des Anbauverbandes Biopark e.V. Dr. Delia Micklich, dem Betriebsleiter des Lämmerhofes Detlef Hack sowie Michael Grolm, Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ in Mitteldeutschland. Prof. Dr. Ulrich Hamm leitete die Podiumsdiskussion.
Deutlich wurde: Oft behindern Bürokratie und Gesetzgebung Landwirte dabei, mehr Biodiversität auf den Höfen umzusetzen. Wenn der politische Wille da wäre und z.B. die Bewirtschaftung kleiner Schläge und die Schaffung und Pflege von Biotopstrukturen in der Kulturlandschaft anders gefördert würden, würden sich auch mehr Landwirte dafür engagieren. Zur Erreichung der von der Bundesregierung gesetzten Biodiversitätsziele wurde in Diskussionsbeiträgen u.a. die Ausweitung des Ökologischen Landbaus, die Förderung von kleineren Strukturen und Landschaftselementen, die Verbraucheraufklärung, sowie die Förderung von Eigeninitiative bei gleichzeitiger Reduzierung des bürokratischen Aufwandes bei der Umsetzung gefordert.
Dr. Thomas van Elsen fasste in seinem Abschlussbeitrag den durch die Konferenzwoche gespannten Bogen zusammen. Auch in den Witzenhäuser Studiengängen könnte der Thematik biologische Vielfalt ein noch größerer Stellenwert eingeräumt werden, um LandwirtInnen und AgrarexpertInnen auszubilden, die in ihrem Beruf aktiv biologische Vielfalt in die Praxis der Ökologischen Landwirtschaft als Wirtschaftsziel integrieren und in Wert setzen..
Im April 2018 wird der Tagungsband zur Konferenz erscheinen und kann bestellt werden über konferenzwiz.uni-kassel.de.
Der Bericht kann hier heruntergeladen werden.