Soziale Landwirtschaft in Brandenburg und Berlin: Ergebnisse der Erhebung von Angeboten, Interessen und Entwicklungen
- Kurzfassung -
Forschungsdesign und Rücklauf
In einer Kooperation zwischen dem Fachgebiet „Soziale Dienstleistungen für strukturschwache Regionen“, welches am Institut für Soziale Arbeit an der Universität Cottbus-Senftenberg angesiedelt ist, und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft (DASoL) wurde im Sommer 2019 eine Online-Umfrage zur Erhebung von Angeboten, Interessen und Entwicklungen der Sozialen Landwirtschaft in Brandenburg und Berlin durchgeführt. Ziel ist es, einen Überblick über die Vielfalt bereits bestehender Angebote im Bereich Sozialer Landwirtschaft zu gewinnen. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten und Hemmnisse sowie Bedarfe aufgedeckt werden. Die Untersuchung gliederte sich zielgruppenspezifisch in vier Stränge: (1) landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe, die bereits in der Sozialen Landwirtschaft aktiv sind, (2) Soziale Organisationen, die bereits in der Sozialen Landwirtschaft aktiv sind, (3) landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe sowie (4) soziale Organisationen, die an einer Integration sozialer oder pädagogischer Arbeit in die landwirtschaftliche Erzeugung interessiert sind. Bei den landwirtschaftlichen Betrieben ergab sich für die Bundesländer Berlin und Brandenburg ein Rücklauf von 30 aktiven und 44 interessieren. Zudem nahmen 31 aktive und 21 interessierte soziale Organisationen teil.
Regionale Verteilung
Die befragten landwirtschaftlichen Betriebe und sozialen Organisationen, verteilen sich relativ gleichmäßig auf die Landkreise und kreisfreien Städte.
Die größte Anzahl an Aktiven der Sozialen Landwirtschaft ist in »Berlin« zu verzeichnen. Insbesondere soziale Organisationen nahmen hier deutlich häufiger teil als in den brandenburgischen Landkreisen und kreisfreien Städten. Nach der Bundeshauptstadt folgen, mit jeweils sechs Aktiven der Sozialen Landwirtschaft, »Barnim« und »Ostprignitz-Ruppin«. In der Lausitz, die aufgrund des Kohleausstiegs in besonderer Weise von Transformationsprozessen betroffen ist, liegen 37 % der aktiven und 41 % der interessierten landwirtschaftlichen Betriebe, sowie 16 % der aktiven und 29 % der interessierten sozialen Organisationen.
Nutzfläche
Die Nutzfläche, welche die Befragten zur Verfügung haben, wurde in den drei Kategorien landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gartenbauliche Nutzfläche erfasst. Betrachtet man die Größenverteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche, fällt auf, dass die Flächenausstattung sehr unterschiedlich ist. Obwohl sowohl es bei den aktiven als auch bei den interessierten Betrieben relativ viele Betriebe mit Flächen zwischen 10 ha und 50 ha gibt, dominieren bei den aktiven und interessierten Betrieben jene, die über mehr als 100ha verfügen. Im Gegensatz dazu verfügen die aktiven Organisationen mehrheitlich über weniger als 100ha.
Auch forstwirtschaftliche Flächen spielen vor allem bei den landwirtschaftlichen Betrieben eine bedeutende Rolle. Insgesamt verfügen 13 aktive und 25 interessierte Betriebe, sowie 5 aktive Organisationen über forstwirtschaftliche Flächen. Während die Größenverteilung bei den aktiven Betrieben relativ gleichmäßig ist, bewirtschaften die interessierten Betriebe vor allem kleinere Flächen unter 50 ha. Außerdem haben etwa die Hälfte der aktiven Betriebe, knapp 30 % der interessierten Betriebe und gut 60 % der aktiven Organisationen Gartenbauflächen. Die mittlere Flächengröße liegt dabei in allen drei Fragebogensträngen zwischen 3 ha und 4 ha.
Wirtschaftsweise
Die aktiven Betriebe wirtschaften zu knapp 60 %, die interessierten Betriebe zu knapp 50 % und die aktiven Organisationen zu etwa 40 % ökologisch. Damit liegt der Bioanteil in allen drei Fragebogensträngen deutlich über dem aller brandenburgischen Betriebe mit 12,5 % (Troegel & Schulz 2018: 51). Dennoch war auch das Interesse konventioneller Betriebe überraschend hoch, wenn man bedenkt, dass 60 % der Betriebe, die zur Bewerbung der Umfrage persönlich kontaktiert wurden Biobetriebe sind und eine besondere Eignung der ökologischen Wirtschaftsweise für die Soziale Landwirtschaft besteht (van Elsen 2016: 193). Das große Interesse konventioneller Betriebe am Einstieg in die Soziale Landwirtschaft, bietet einen besonderen Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen.
Betriebszweige
Die unten stehende Grafik gibt einen Überblick darüber in welchen Betriebszweigen Menschen mit Assistenzbedarf von den Aktiven der Sozialen Landwirtschaft einbezogen werden, bzw. in welchen Betriebszweigen die Interessierten Menschen einbeziehen wollen.
Die »Tierhaltung« spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. »Acker- und Futterbau« werden hingegen seltener in die Soziale Landwirtschaft eingebunden, obwohl sie in vielen landwirtschaftlichen Betrieben vertreten sind. Interessierte landwirtschaftliche Betriebe können sich eine Integration von Menschen mit Assistenzbedarf in diese relativ hoch technisierten Arbeitsfelder noch deutlich seltener vorstellen als Betriebe, die bereits in der Sozialen Landwirtschaft aktiv sind.
In soziale Organisationen ist die Soziale Landwirtschaft besonders häufig im »Gemüsebau« sowie in »Landschaftsbau und -pflege« oder »Gartenbau und -pflege« angesiedelt. Der Gemüsebau spielt auch auf den landwirtschaftlichen Betrieben eine bedeutende Rolle.
Unter »Sonstige« wurden von den landwirtschaftlichen Betrieben vor allem touristische Angebote genannt. Außerdem werden erneuerbare Energien, Imkerei, Tischlerei und künstlerische Aktivitäten erwähnt. Von den sozialen Organisationen werden Zierpflanzen- und Staudengärtnerei, sowie der Anbau von Kräutern und Heilpflanzen ergänzt.
Kooperationen
Etwa ein Viertel der aktiven landwirtschaftlichen Betriebe gibt an, für die Angebote der Sozialen Landwirtschaft mit einer sozialen Organisation zu kooperieren. Die Hälfte der Betriebe führt Angebote der Sozialen Landwirtschaft unabhängig von einer Kooperation durch.
Die aktiven sozialen Organisationen führen zu etwa einem Viertel die Aktivitäten in Kooperation mit einem oder mehreren landwirtschaftlichen Betrieben durch. Beim überwiegenden Anteil der hingegen finden die Angebote der Sozialen Landwirtschaft in der eigenen Organisation statt.
Unter den interessierten landwirtschaftlichen Betrieben gibt etwas weniger als die Hälfte an, sich eine Kooperation vorstellen zu können. Fast alle übrigen haben die Option »Weiß ich noch nicht« ausgewählt. Auch die Hälfte der interessierten sozialen Organisationen kann sich eine Kooperation vorstellen, während jede vierte Organisation ihre Angebote in die eigene Organisation integrieren möchte.
Zielgruppen
Die Zielgruppen, an welche sich die Angebote der Sozialen Landwirtschaft richten, unterscheiden sich deutlich zwischen den einzelnen Fragebogensträngen. Während die aktiven Betriebe mit Abstand am häufigsten mit »Schulkindern« oder »Jugendlichen« arbeiten, überwiegt bei den aktiven Organisationen die Arbeit mit »Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung«. Interessant ist, dass zehn soziale Organisationen Angebote für »Suchtkranke« durchführen und sieben aktive Betriebe »Langzeitarbeitslose« beschäftigen.
Fragt man danach, für welche Zielgruppen die interessierten Betriebe Angebote etablieren möchten, werden ebenfalls »Schulkinder« und »Jugendliche« am häufigsten genannt. Großes Interesse besteht aber auch an der Arbeit mit »Migranten«, »Senioren« und mit »Jugendlichen im Rahmen der Jugendhilfe«. Dies deutet auf ein großes Potential hin, das durch eine Verbesserung der Fördersituation, sowie durch zielgerichtete Vernetzung auch mit sozialen Organisationen entfaltet werden kann.
Auffallend ist, dass unter den interessierten sozialen Organisationen über die Hälfte angibt, dass »Schulkinder« an ihren Angeboten teilnehmen würden, während diese nur bei gut 10 % der aktiven sozialen Organisationen die Zielgruppe sind. Auch für »Kindergartenkinder« und »Jugendliche« wollen viele interessierte Organisationen Angebote aufbauen, während »Menschen mit geistiger oder Mehrfachbehinderung« sowie »Suchtkranke« deutlich seltener genannt werden als von den aktiven Organisationen.
Einnahmen
Die unterschiedlichen Einnahmequellen im Bereich der Sozialen Landwirtschaft konnten im Fragebogen jeweils mit fünf Stufen von »gar nicht« bis »ausschließlich« bewertet werden.
Von den aktiven landwirtschaftlichen Betrieben, wird als häufigste Einnahmequelle »Eigenanteile des Betriebs« genannt. Außerdem geben zwei Betriebe in allen Kategorien »gar nicht« an. Dies deutet darauf hin, dass viele Betriebe Angebote der Sozialen Landwirtschaft durchführen, ohne daraus Einnahmen zu generieren. Allerdings ist auch unklar, inwiefern »Einnahmen aus dem Produktverkauf« als Einnahmen im Bereich der Sozialen Landwirtschaft zu werten sind. In insgesamt sechs Betrieben spielen »Eigenanteile des Klientels« also Teilnahmebeiträge oder Ähnliches eine Rolle. Nur drei Betriebe beziehen »Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch«.
Anders gestaltet sich die Situation bei den aktiven sozialen Organisationen. Insgesamt werden hier deutlich mehr Angaben zu Einnahmequellen im Bereich der Sozialen Landwirtschaft gemacht. Am meisten Bedeutung kommt hierbei den »Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch« zu. Am häufigsten werden hierbei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB VII oder IX genannt, aber auch andere Leistungen aus dem SGB VIII (Jugendhilfe) oder dem SGB XII (Sozialhilfe) spielen eine Rolle. Außerdem werden entscheidende Einnahmen aus dem »Produktverkauf« sowie durch »Spenden« generiert. Auch in diesem Fragebogenstrang wird »Eigenanteile des Betriebs« häufig genannt. Dies könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn innerhalb der Organisation Einnahmen zwischen verschiedenen Betriebszweigen verschoben werden. sozialen Organisationen sind Pflegeaufträge, Auftragserlöse und sonstige Fördermittel.
Hemmnisse für die Wirtschaftlichkeit
Im Fragebogen wurde den Aktiven der Sozialen Landwirtschaft die Möglichkeit gegeben, Hemmnisse für die Wirtschaftlichkeit ihrer Angebote im Freitext zu beschreiben. Jede/r Befragte konnte bis zu drei Aspekte nennen. Diese wurden im Anschluss thematisch zusammengefasst und die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt.
Das erste große Themenfeld der Antworten im Fragebogenstrang für aktive landwirtschaftliche Betriebe (n=23) bezieht sich auf allgemeine finanzielle Hemmnisse. Die Befragten beklagen eine fehlende Mittelbereitstellung durch die öffentlich Hand, sowie ein zu geringes Budget der TeilnehmerInnen. Die Angebote können teilweise nur durch einen hohen Eigenmittelzuschuss realisiert werden. Außerdem werden Probleme in Bezug auf Preisgestaltung und Vermarktung benannt. Rechtlich stellen die notwendigen Versicherungen eine Herausforderung dar.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der hohe Arbeitsaufwand, durch die Betreuung der TeilnehmerInnen im Zusammenhang mit dem herrschenden Personalmangel. Einige Betriebe sehen die mangelnde Leistungsfähigkeit der TeilnehmerInnen, beispielsweise in Bezug auf Belastbarkeit und Allgemeinbildung, als großes Hemmnis für die Wirtschaftlichkeit. Außerdem sei das Interesse an körperlicher Arbeit gesunken.
Einen bedeutenden Ansatzpunkt bieten die strukturellen Hemmnisse. Die Befragten beschreiben, dass Angebot und Nachfrage an Angeboten der Sozialen Landwirtschaft oft keine Weg zueinander finden und an vielen Orten geeignete Kooperationspartner und Strukturen für die Bereitstellung sozialer Dienstleistungen fehlen. Im landwirtschaftlichen Kontext sei die Soziale Landwirtschaft zudem schwer einzuordnen, was bürokratische Hürden mit sich bringt.
Bei den aktiven sozialen Organisationen (n=25) stellt das Spannungsfeld zwischen der Effektivität der landwirtschaftlichen Produktion und der Qualität sozialer Arbeit eine Herausforderung dar. Von zwei Organisationen wird erläutert, dass die landwirtschaftliche Produktion an den Bedürfnissen der Menschen mit Assistenzbedarf ausgerichtet und deshalb die Produktivität eingeschränkt sei. Mangelnde Effektivität und hoher Personalaufwand sind Faktoren dieser Problematik. Interessant ist, dass eine Organisation genau die gegenteilige Situation beklagt. Nach Ansicht dieses Befragten liegt der Fokus zu stark auf dem Erlös, sodass dem sozialen Auftrag nicht Rechnung getragen werden kann.
In Bezug auf die TeilnehmerInnen wird als problematisch bewertet, dass wenig Arbeitsanreiz für Menschen mit Behinderung besteht, da die Vergütung auf Sozialleistungen angerechnet wird. Außerdem stellen unentschuldigte Fehlzeiten, welche nicht vergütet werden, sowie Verluste durch erhöhte Fehlerquoten der Klienten Hindernisse dar. Eine Organisation benennt rückläufige Maßnahmenzahlen als Hemmnis für die Wirtschaftlichkeit.
Außerdem werden allgemeine landwirtschaftliche Hemmnisse wie Witterungsbedingungen und Schwierigkeiten bei der regionalen Vermarktung der Produkte benannt. Eine Organisation beschreibt zudem die Konkurrenz zu anderen Angeboten als problematisch.
Sehr viele beschriebene Hemmnisse beziehen sich auf bürokratische Hürden. Viele Vorschriften beispielsweise in Bezug auf Hygiene erschweren Betriebsabläufe und die Beantragung von Fördermitteln ist aufgrund verschiedener Töpfe sehr kompliziert und für landwirtschaftliche MitarbeiterInnen schwer verständlich. Eine Organisation wünscht sich zudem explizit ein Forum für Information und Vernetzung.
Zur Weiterentwicklung der Sozialen Landwirtschaft ist es also unerlässlich, geeignete Finanzierungswege herauszuarbeiten bzw. neu zu etablieren und eine gute Vernetzung zwischen LandwirtInnen, sozialen Organisationen und potenziellen TeilnehmerInnen zu fördern.
Beratungsbedarf
Die im Zusammenhang mit den Hemmnissen für die Wirtschaftlichkeit beschriebenen Förderbedarfe spiegeln sich auch in den Beratungs- und Unterstützungswünschen der Befragten wider.
Insgesamt besteht der größte Bedarf nach »Beratung zu Fördermöglichkeiten und Finanzierung« sowie nach »Beratung zu Kooperationen«. Für die aktiven Betriebe steht die »Beratung zu Kooperationen« sogar an erster Stelle.
Außerdem ist für alle landwirtschaftlichen Betriebe »fachliche Beratung z.B. zu rechtlichen Fragen« von großer Bedeutung. Diese spielt bei den sozialen Organisationen eine etwas geringere Rolle, was damit zusammenhängen könnte, dass diese ohnehin Menschen betreuen und viele rechtliche Fragen daher unabhängig von der landwirtschaftlichen Arbeit geklärt werden müssen. Interessant ist, dass viele aktive soziale Organisationen sich »Beratung zu Fortbildungsmöglichkeiten« wünschen.
Case Manager (Teilhabebegleiter)
Im Rahmen des Ende 2018 abgeschlossenen Profarm-Projekts, welches sich mit der Entwicklungsbegleitung von Menschen mit Assistenzbedarf in der Sozialen Landwirtschaft im europäischen Kontext beschäftigte, wurde ein Case Management System entwickelt. Ziel ist es, dass Menschen beim Aufbau ihres persönlichen Berufsbildungsweges begleitet und während der Arbeit, unterstützt werden. Der Case Manager oder Teilhabebegleiter übernimmt eine Schnittstellenfunktion zwischen Mensch und Betrieb und sollte deshalb eine gute Beobachtungsgabe, Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit mitbringen, den gesamten Teilhabeprozess zu überblicken und einzelne Akteure miteinander zu vernetzen (Böttcher & van Elsen 2019; Hüttmann et al. 2019).
Den größten Bedarf nach einer solchen Fachkraft sehen die interessierten Betriebe. Diese gaben zu gut 60 % an, Bedarf nach einem Teilhabebegleiter zu haben. Demgegenüber steht, dass nur etwa 10 % der aktiven landwirtschaftlichen Betriebe einen solchen Bedarf sieht. Unter den sozialen Organisationen beschreiben knapp die Hälfte einen Bedarf nach einem Case Manager.
Fortbildungsbedarf
Etwa drei Viertel der interessierten landwirtschaftlichen Betriebe und 70% der interessierten sozialen Organisationen äußern einen Fortbildungsbedarf. Die Aktiven der sozialen Landwirtschaft sind zu etwa 50% an Fortbildungen interessiert.
Um die Fortbildungsbedarfe genauer erfassen zu können, wurde den Befragten die Möglichkeit gegeben, im Freitext gewünschte Inhalte einer Fortbildung anzugeben. Im Zuge der Auswertung konnten mehrere Themenfelder identifiziert werden. Das erste, welches insbesondere für landwirtschaftliche Betriebe von Bedeutung ist, bezieht sich auf den Umgang mit betreuten Menschen. Die Befragten wünschen sich pädagogische Inhalte (genauer spezifiziert als Handlungs- oder Sonderpädagogik) sowie Methoden zur Aufmerksamkeitslenkung, Motivation und Arbeitsorganisation. Außerdem besteht Bedarf nach Hintergrundwissen beispielsweise zu Entwicklungspsychologie oder Krankheitsbildern. Wichtig ist dabei der Praxisbezug, der beispielsweise über konkrete Fallberatung realisiert werden kann.
Außerdem sind Fragen zu Fördermöglichkeiten und Finanzierung sowie zum Aufbau von Kooperationen von großer Bedeutung. Auch rechtliche Fragen sollten in einem Fortbildungskurs erläutert werden.
Das letzte Themenfeld bilden landwirtschaftliche Fortbildungsinhalte. Hier wird zweimal die Ökologisierung des Anbaus und einmal Obst- und Gemüsebau als spezieller Betriebszweig erwähnt. Auch bei der Vermarktung der Produkte wünscht sich eine Organisation weitere Fortbildung.
Außerdem sollten in einem Kurs auch Best Practice-Lösungen vorstellt werden. Dies wäre beispielsweise über Betriebsbesichtigungen realisierbar.
Motivationen
Betrachtet man die Motivation der Befragten für den Aufbau der Sozialen Landwirtschaft fällt auf, dass nicht finanzielle Dimensionen hierbei von großer Bedeutung sind. Mit Abstand am häufigsten wurde »Beitrag zum Gemeinwohl« ausgewählt. Danach folgt die »Nutzung der Potentiale von Natur und Sozialer Arbeit«.
Für aktive wie interessierte Betriebe stellt die Soziale Landwirtschaft eine Möglichkeit dar, den »landwirtschaftlichen Betrieb zu beleben«. Diese Motivation wird in beiden Fragebogensträngen an dritter Stelle genannt. Der Anteil derer, die »zusätzliche Arbeitskräfte« als Motivation benennen, liegt bei den aktiven und den interessierten Betrieben ähnlich hoch bei etwa einem Drittel. Anders ist die Situation bei der von den interessierten Betrieben erhofften »Eröffnung weiterer Handlungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft« auch durch eine »zusätzliche Einnahmequelle«. Diese beiden Motivationen spielen für aktive Betriebe eine untergeordnete Rolle.
Von den aktiven sozialen Organisationen werden all die Motivationen besonders häufig ausgewählt, die sich auf »Menschen mit Assistenzbedarf« beziehen.
Außerdem wurden auch einige Motivationen genannt, die nicht in der Liste vorgegeben waren. Dabei wird besonderer Wert auf die Bildung über landwirtschaftliche Zusammenhänge und nachhaltige Entwicklung gelegt. Das Bewusstsein der Gesellschaft für landwirtschaftliche Prozesse soll gestärkt werden. Weitere Befragte sind dadurch motiviert, den ländlichen Raum zu stützen und die Zukunft der Landwirtschaft zu sichern. Als Motivationen im Zusammenhang mit der Sozialen Arbeit werden zudem die Schaffung einer Existenzgrundlage für benachteiligte Jugendliche, Soziale Landwirtschaft als integraler Bestandteil der Suchttherapie, sowie eine grundsätzliche therapeutische Haltung genannt.
Veränderungen und Einflüsse durch Soziale Landwirtschaft
Abschließend wurden die Befragten gebeten, ihre Einschätzung zu den Einflüssen abzugeben, die der Einbezug Sozialer Arbeit auf die landwirtschaftliche Erzeugung ausübt. Die Antwort war dabei in mehrere thematische Bereiche gegliedert.
Häufig wurden »Einfluss auf die Diversifizierung« beschrieben Diversifizierung kann in diesem Zusammenhang sowohl als Erweiterung des Erzeugungsspektrums z.B. durch Einführung von Gemüsebau oder Hühnerhaltung, als auch als eine Steigerung der Wertschöpfung durch Verarbeitung oder Direktvermarktung verstanden werden. In sozialen Organisationen kann zudem eine Erschließung neuer Arbeitsbereiche für Menschen mit Assistenzbedarf gemeint sein. Eine soziale Organisation merkt an, dass eine weitere Diversifizierung aufgrund der Einschränkungen der TeilnehmerInnen nicht möglich sei.
Diversifizierungsprozesse werden teilweise auch beim »Einfluss auf die Produktpalette« beschrieben. Insbesondere die interessierten Betriebe erhoffen sich eine Erweiterung der Vielfalt durch die persönlichen Vorlieben und kreativen Ideen der TeilnehmerInnen, aber auch aktive Organisationen gehen teilweise von einer vielfältigeren Produktpalette aus. Von sozialen Organisationen wird zudem erwähnt, dass die Einführung Sozialer Landwirtschaft ein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Hier wird der Begriff Produktpalette also nicht in Bezug auf landwirtschaftliche Produkte, sondern auf soziale Dienstleistungen verstanden. Ein aktiver Betrieb beschreibt eine Blockade der täglichen Prozesse.
Dagegen sind die Antworten im Bereich »Neue Möglichkeiten, durch höheren Arbeitskräftebesatz« durchweg positiv. Aktive der sozialen Landwirtschaft benennen mehr Zeit für Kernkompetenzen und eine Entlastung vorhandener Kräfte und ein interessierter Betrieb erhofft sich eine termingerechte Erledigung der Arbeit. Handarbeitsintensive Tätigkeiten wie die Gemüseernte können schnelle erledigt werden und eine Organisation denkt an Stroh als Naturprodukt z.B. als Baumaterial zu nutzen.
Die horizontale Diversifizierung wird außerdem unter »Einfluss auf nachgelagerte Bereiche« genauer beschrieben. Hier werden Ideen wie die Veredelung bis hin zu Convenience-Produkten oder der Betrieb eines Catering-Service genannt. Problematisch kann dabei der höhere Keimeintrag sein, der zu negativen »Einflüsse auf die Produktqualität« führen kann. Außerdem erschwert eine unberechenbare Zeitkalkulation die termingerechte Belieferung. Zur Einhaltung der Qualität in der Vermarktung sind viele Kontrollen notwendig. Das Arbeitsergebnis ist dabei stark von der Leistungsfähigkeit der einzelnen betreuten Menschen abhängig. Eindeutig positive Einflüsse werdend dagegen von zwei sozialen Organisationen in Bezug auf die Qualität der Therapie beschrieben.
Im Bereich des Marketing erhofft sich ein interessierter Betrieb eine höhere Kaufmotivation und caritative Unterstützung.
Sehr häufig werden dagegen Erläuterungen zum »Einfluss auf die Verwaltung« gemacht. In den ersten drei Fragebogensträngen wird ein bürokratischer Mehraufwand beschrieben. Bei den aktiven Organisationen bezieht sich dieser Aufwand allerdings nicht gezielt auf die Soziale Landwirtschaft, sondern ist beispielsweise durch die Einführung des Bundesteilhabegesetzes bedingt. Eine interessierte soziale Organisation erhofft sich eine gemeinsame Verwaltung von Landwirtschaftsbetrieben und Einrichtungen der Jugendhilfe. In jedem Fall ist es wichtig, dass auch dieser Mehraufwand genauso wie die Betreuungsleistung honoriert wird oder Strategien entwickelt werden, wie LandwirtInnen entlastet werden können.
Außerdem werden einige »Sonstige Einflüsse« beschrieben. Negativ wird dabei der bereits erwähnte zusätzliche Zeitaufwand für die Betreuung benannt. Positiv werden dagegen eine Verbesserung der Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der sozialen Kompetenz durch Übernahme von Verantwortung durch alle Kollegen beschrieben. Außerdem beschreiben zwei soziale Organisation eine Beschäftigung mit der Natur und daraus resultierend Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Fazit
Die Untersuchung zeigte in Bezug auf den Bestand an Sozialer Landwirtschaft in den untersuchten Bundesländern Berlin und Brandenburg ein heterogenes Bild:
- Bei den aktiven landwirtschaftlichen Betrieben ist eine Dominanz im Bereich Tierhaltung, Acker- sowie Futterbau erkennbar. Diese Angebote richten sich vorwiegend auf die Zielgruppen der Schulkinder, Jugendliche sowie Langzeitarbeitslose.
- Bei den aktiven sozialen Organisationen sind die Bereiche Gemüsebau, Tierhaltung und Landschaftsbau und –pflege dominierend, die vorwiegend auf Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung, aber auch auf Schulkinder ausgerichtet sind.
- Die interessierten landwirtschaftlichen Betrieben sind ebenso wie die bereits aktiven Betriebe in den Bereichen Tierhaltung, Acker- sowie Futterbau aktiv. Ihre gewünschten Zielgruppen sind Schulkinder, Jugendliche und Migrant*innen.
- Die interessierten sozialen Organisationen sind vorwiegend an Gartenbau- und pflege, Obst- und Gemüsebau sowie Landschaftsbau – und pflege interessiert und möchten sich auf Schulkinder, Menschen mit seelischen/psychischen Beeinträchtigungen sowie auf Jugendliche ausrichten.
Bei der Betrachtung der Bestandserhebung ist ein Stand-Land-Gefälle bezüglich der Umsetzung der Konzepte der Sozialen Landwirtschaft erkennbar. Im Verhältnis zum Flächenland Brandenburg bezeichnen sich mehr soziale Organisationen als bereits aktiv oder interessiert.
Ein besonders hervorzuhebendes Ergebnis in Bezug auf die Möglichkeiten Sozialer Landwirtschaft ist, dass
- gerade auch die über 100 ha großen, konventionell wirtschaftenden Betriebe an Projekten der Sozialen Landwirtschaft Interesse haben
- sowohl die aktiven wie auch die interessierten Betriebe der Sozialen Landwirtschaft den Beitrag zum Gemeinwohl als überragenden Motivationsgrund angeben.
Ein Bereich mit weiterem Forschungsbedarf ist die Frage der Kooperation zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und sozialen Organisationen. Als problematisch anzusehen ist, dass die Kooperationsbereitschaft auf Seiten der landwirtschaftlichen Betriebe größer ist als auf Seiten der Sozialen Organisationen. Hier ist es wichtig, mögliche Hemmnisse im Detail genauer zu analysieren.
Quellen:
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2019): Unternehmen & Flächenausstattung „Gleichberechtigte Vielfalt": - https://agrarbericht.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.365046.de (Zugriff am 1.8.2019)
Böttcher, L., van Elsen, T. (2019): Case Management – Teilhabebegleitung als Innovation in der Sozialen Landwirtschaft. – Beitr. 15. Wiss.-Tagung Ökol. Landbau: 538-541, Kassel.
Hüttmann, L., Sauer, P., van Elsen, T. (2019): Case Management – professionelle Teilhabebegleitung von Menschen mit Behinderung beim Übergang von der Schule in die Soziale Landwirtschaft. – Beitr. 15. Wiss.-Tagung Ökol. Landbau: 534-537, Kassel.
Troegel, T., Schulz, C. (2018): Ergebnisse der Agrarstrukturerhebung 2016 für das Land Brandenburg. – In: Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg 1/2018. - Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Heenemann GmbH & Co., Berlin: 44-60.
van Elsen, T. (2016): Soziale Landwirtschaft. – In: Freyer, B. (Hrsg.): Ökologischer Landbau. Grundlagen, Wissensstand und Herausforderungen. – UTB 4639, Haupt Verlag, Bern: 192-204.